Strategie eHealth Schweiz 1.0 bis zur Verabschiedung EPDG
Im Jahr 2006 wurde die Strategie für eine Informationsgesellschaft des Bundes um das Thema Gesundheit und Gesundheitswesen ergänzt. Dies führte zur Erarbeitung der Strategie eHealth Schweiz 2007 -2015, die vom Bundesrat im Juni 2007 verabschiedet wurde. Diese Strategie umfasste die Handlungsfelder «Elektronisches Patientendossier», «Online-Dienste» und «Umsetzung der Strategie» und formulierte eine Vielzahl von Zielen. Oberstes Ziel war die Umsetzung eines nationalen elektronischen Patientendossiers (EPD) bis zum Jahr 2015, das primär durch die Patientinnen und Patienten selbst gesteuert wird und ihre wichtigsten medizinischen Gesundheitsinformationen im Bedarfsfall von überall her und jederzeit in elektronischer Form abrufbar macht. Auf der Ebene des Gesundheitssystems standen die Ziele von mehr Effizienz, Sicherheit und einer optimierten Behandlungsqualität für Patient/innen im Vordergrund.
Als eine der ersten operativen Massnahmen der Strategie eHealth Schweiz haben Bund und Kantone eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen. Auf deren Basis wurde das nationale Koordinationsorgan eHealth Suisse per 1. Januar 2008 geschaffen. eHealth Suisse war fortan für die Umsetzung der Strategie eHealth verantwortlich. Dementsprechend nahm im Laufe des Jahres 2008 die breit aufgestellte Projektorganisation von eHealth Suisse unter Vertretung aller relevanter Stakeholder (FMH bzw. Ärzteschaft, Spitäler, Kantone, Fachverbände, Industrie, Patienten- und Konsumentenorganisationen) ihre Arbeit auf. Auf strategischer Ebene war der Steuerungsausschuss von eHealth Suisse unter dem Vorsitz des Vorstehers der Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) das verantwortliche Gremium, auf operativer Ebene nahm das Projektleitungsgremium diese Rolle wahr.
Die Projektorganisation war in sechs Teilprojekte gegliedert:
- Online-Dienste und Befähigung
- Bildung und Forschung
- Modellversuche und Private Public Partnership (später: Aufbau und Vernetzung)
- Standards und Architektur
- Recht
- Finanzierung und Anreizsysteme
Pro Teilprojekt wurde eine Arbeitsgruppe mit themenrelevanten Stakeholdern eingesetzt. Diese Arbeitsgruppen erarbeiteten zwischen 2009 bis 2014 zu ihren Bereichen Empfehlungspapiere, die zuvor jeweils einer breiten Anhörung unterzogen wurden. Die Empfehlungen bezogen sich auf jene Themen, an die für die künftige Interoperabilität des nationalen EPD im umfassenden Sinne gedacht werden musste: Nicht nur Aspekte aus dem Bereich der Technik, sondern auch aus Politik, Recht, Semantik und organisatorische Belange.
Das Teilprojekt Online-Dienste und Befähigung erarbeitete Empfehlungen zum Thema der Befähigung der Patientinnen und Patienten im Umgang mit medizinischen Informationen (health literacy) sowie im Umgang mit den neuen IT-Instrumenten (digital literacy). Das Teilprojekt umfasste auch einen Bericht mit mehreren Varianten eines öffentlichen Gesundheitsportals. Bund und Kantone entschieden im Januar 2012, auf ein solches aus Ressourcengründen zu verzichten.
Das Ziel des Teilprojekts Bildung und Forschung war es, Massnahmen und Anpassungen im Bereich Bildung für Gesundheitsfachpersonen zu prüfen, welche notwendig sind, um den heutigen Anforderungen der Informations- und Kommunikationstechnologien gerecht zu werden. Dabei ging es auch um die Integration dieser Inhalte in die relevanten Lehr- und Studiengänge.
Das Teilprojekt Modellversuche und PPP (Private Public Partnership) formulierte Empfehlungen für eHealth-Modellversuche und Vorbedingungen für deren Gelingen. Mit Modellversuchen sollten Erkenntnisse für das künftige nationale elektronische Patientendossier (EPD) gewonnen werden. Ein durch das Teilprojekt erarbeitetes Konzept erlaubte es Pilotprojekten, sich durch eHealth Suisse evaluieren und bei Eignung labeln zu lassen.
Im Teilprojekt Standards und Architektur wurden Standards im umfassenden Sinn (technisch, inhaltlich, semantisch) geprüft und empfohlen, welche für den Aufbau einer künftigen nationalen Architektur für das EPD nötig sind. In diesem Teilprojekt wurden grundlegende Entscheide vorbereitet, die das EPD bis heute prägen: Die dezentrale Architektur, auf der technischen Ebene Aufbau auf nicht proprietären Standards (IHE-Profile) und die feingranulare Steuerung des EPD durch die Patientinnen und Patienten im Sinne der informationellen Selbstbestimmung.
Die Teilprojekte Recht wie auch Finanzierung und Anreizsysteme zeigten auf, wie das Thema eHealth trotz geteilter Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen rechtlich etabliert werden kann. Auch wurde angedacht, mit welchen Massnahmen und Anreizen das EPD finanziert und vorangetrieben werden kann. Die Vorarbeiten des Teilprojekts Recht wurde durch die im Dezember 2009 von Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) eingesetzte Expertengruppe eHealth weiterverwertet. Ihre Aufgabe bestand darin, zu klären, welche Bereiche von eHealth mit den bestehenden Verfassungsgrundlagen durch den Bund geregelt werden können und welche in die Zuständigkeit der Kantone fallen. 2011 wurde ein Vorentwurf des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (EPDG) vernehmlasst. Im April 2012 beauftragte der Bundesrat das EDI, bis Ende 2012 Botschaft und Gesetzesentwurf zum EPD auszuarbeiten. Die entsprechende Botschaft und der Gesetzesentwurf wurden im Mai 2013 an das Parlament überwiesen. Im Juni 2015 wurde das EPDG durch das Parlament verabschiedet.
Externer Link: Geschäft des Bundesrates
Externer Link: Gesetzgebungsprojekt EPDG 2010–2017
Parallel dazu erarbeitete eHealth Suisse ab 2014/15 in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) die technischen Grundlagen für ein künftiges EPD in der Form von Spezifikationen. Sie bildeten eine der Grundlagen für das EPDG-Verordnungsrecht, welches im ersten Halbjahr 2016 angehört wurde. Die Verordnung trat am 15. April 2017 in Kraft. Ihr Kern ist der Zertifizierungsprozess für (Stamm-)Gemeinschaften als Zusammenschluss EPD-pflichtiger Leistungserbringer.
Auf der Seite der Semantik wurde 2016 SNOMED CT als nationale Referenzterminologie festgelegt. Seitdem betreibt eHealth Suisse das entsprechende Release Center.
Ab Februar 2009 bis Ende 2018 arbeitete eHealth Suisse zudem aktiv an den europäischen Bestrebungen zur Etablierung einer europaweiten Infrastruktur mit, die den sicheren Austausch medizinischer Patientendaten über Landesgrenzen hinweg zum Ziel hat. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen der Mitarbeit in verschiedenen EU-Projekten am Universitätsspital Genf ein «National Contact Point» aufgebaut und betrieben. Ende 2018 wurde die Schweiz aus politischen Gründen von der Europäischen Kommission (EC) von einer Mitarbeit dispensiert.